Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands
Dr. Helmut Kohl
Helmut Josef Michael Kohl (* 3. April 1930 in Ludwigshafen am Rhein; † 16. Juni 2017 ebenda) war ein deutscher Politiker der CDU. Er war von 1969 bis 1976 dritter Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Er führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Amtsinhaber mit der längsten Dienstzeit. Von 1973 bis 1998 war er Bundesvorsitzender, danach bis 2000 Ehrenvorsitzender seiner Partei. Nach den zwei verlorenen Bundestagswahlen 1969 und 1972 übernahm Kohl den Bundesvorsitz der CDU und formte sie zu einer Mitgliederpartei um. 1976 erzielte die CDU/CSU mit Kohl als Spitzenkandidat das bis dahin zweitbeste Ergebnis bei Bundestagswahlen, konnte aber die sozialliberale Regierung Schmidt nicht ablösen. Kohl gab sein Amt als Ministerpräsident auf und übernahm als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion die Rolle des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition wurde er am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt von CDU/CSU und FDP zum Bundeskanzler gewählt. Kohl trieb den Prozess der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 entscheidend voran. Er gilt als ein Motor der europäischen Integration, die in den 1990er Jahren zur Bildung der Europäischen Union und zur Einführung des Euro führte. Umstritten blieb er wegen seiner Rolle in der CDU-Spendenaffäre sowie seiner Tätigkeit als Unternehmensberater nach dem Ende seiner politischen Karriere. Trotz des jahrelangen christdemokratischen Widerstands gegen die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung setzte die Regierung Kohl die Außen- und Deutschlandpolitik der vorangegangenen Regierung Schmidt in den wesentlichen Zügen fort. Zur Verhinderung einer Zahlungsunfähigkeit erhielt die DDR durch Vermittlung des CSU-Vorsitzenden Strauß einen Milliardenkredit. Als Gegenleistung beseitigte die DDR-Regierung ab 1984 nach und nach die Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze und erteilte in großzügigerer Weise Ausreisegenehmigungen für Übersiedler aus der DDR in die Bundesrepublik. Im Gegensatz zu seinen späteren Gegenkandidaten Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder sah Kohl während der gesamten Zeit vor 1989 eine mögliche Deutsche Wiedervereinigung als wichtiges politisches Ziel an; dementsprechend lehnte er, anders als Lafontaine, die Anerkennung einer eigenständigen DDR-Staatsbürgerschaft neben der Deutschen Staatsangehörigkeit konsequent ab. Eine weitere große Zuwanderungsgruppe stellten die deutschstämmigen Aussiedler aus Osteuropa und der Sowjetunion dar, für deren Ausreisegenehmigung sich Kohl einsetzte, ihre Zahl stieg auf über 370.000 im Jahr 1989. Kohl und Honecker in Bonn (1987) Ab Mitte der 1980er Jahre stiegen die Zahlen der Asylbewerber auf über 100.000 jährlich an, der sogenannte „Asylmissbrauch“ wurde zum wichtigen Thema der politischen Diskussion. Problemfördernd erwies sich die westdeutsche Auffassung des besonderen rechtlichen Charakters der innerdeutschen Beziehungen, als Mitte der 1980er Jahre in stark zunehmendem Maße Asylsuchende aus Afrika und Südasien über Ost-Berlin unkontrolliert nach West-Berlin einreisten; erst nach zahlreichen Initiativen sowohl der Regierung als auch der SPD-Opposition leistete die DDR einen Beitrag zur Eindämmung des Zustroms. Nach jahrelangen Verhandlungen konnte 1987 Erich Honecker, Staatsratsvorsitzender und Generalsekretär des ZK der SED, als erstes DDR-Staatsoberhaupt vom 7. bis 11. September 1987 offiziell die Bundesrepublik besuchen. In Bonn sprach er eine Einladung zu einem offiziellen Besuch der DDR an Kohl aus. Da der Kanzler aus statusrechtlichen Gründen Ost-Berlin, das nach westdeutscher Auffassung nicht Teil der DDR war, nicht offiziell besuchen konnte, unternahm Kohl eine Privatreise in die DDR mit seiner Frau und dem Sohn Peter vom 27. bis 29. Mai 1988 – vereinbarungsgemäß ohne Ankündigung und Journalistenbegleitung, dafür war er frei in der Auswahl der Reiseroute. Später bezeichnete er diese Reise als eine der bewegendsten seines Lebens. Die Zahl ausländischer Bürger stieg besonders durch den Familiennachzug an. Die Regierung versuchte dem durch die Umsetzung von Maßnahmen zur Rückkehrförderung entgegenzuwirken, die schon von der sozialliberalen Vorgängerregierung beschlossen worden waren. Nachdem sich im Herbst 1988 die Auseinandersetzungen mit Heiner Geißler über den künftigen Kurs der Partei zugespitzt hatten, hat Kohl seinen langjährigen Generalsekretär schriftlich gewarnt, er werde ihn nicht wieder für dieses Amt vorschlagen, falls sich ihre Beziehungen in den nächsten Monaten „nicht von Grund auf“ veränderten. Nach starken Stimmenverlusten für die Christdemokraten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und bei den Kommunalwahlen in Hessen im ersten Quartal 1989, verabredeten Heiner Geißler, Lothar Späth und Rita Süssmuth, die Ablösung Kohls auf dem CDU-Parteitag in Bremen im September, weil dieser die Bundestagswahl 1990 nicht gewinnen könne. Der „Putsch“ des Jahres 1989 sei die gefährlichste Phase der Kohlschen Kanzlerzeit gewesen, urteilten Klaus Dreher und andere zeitgenössische Journalisten. Die Eigenwilligkeit des Generalsekretärs und eine zunehmende Missstimmung im Präsidium veranlassten Kohl im April, sein Kabinett umzubilden. Er überzeugte Theo Waigel, das Amt des Finanzministers zu übernehmen und sicherte sich so den Rückhalt der CSU. Gerhard Stoltenberg, der dieses Ressort ebenfalls angestrebt hatte, wurde Verteidigungsminister. Das Angebot Kohls, Geißler als Innenminister ins Kabinett zu holen, wurde von diesem zurückgewiesen. Stattdessen übernahm Schäuble dieses Amt, der damit einer der wichtigsten Kohl-Vertrauten aus Baden-Württemberg wurde. Der Konflikt mit Geißler und Späth war durch die Kabinettsumbildung aber noch nicht gelöst, sondern nur bis zur Europa-Wahl vertagt. Kohl war sich dieser Gefahr durchaus bewusst, als er später einräumte, sein Sturz wäre unausweichlich gewesen, wenn die CDU bei der Europawahl im Juni 1989 ihre Position als stärkste Kraft verloren hätte. Kanzler der Einheit 1989/1990 - Wende und friedliche Revolution in der DDR Als sich der Zusammenbruch der DDR abzeichnete und die Berliner Mauer am 9. November 1989 gefallen war, legte Kohl ohne vorherige Absprache mit dem Koalitionspartner dem Kabinett und den westlichen Bündnispartnern am 28. November 1989 im Bundestag das überraschende Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas vor. Er lehnte das Zwei-Staaten-Konzept von Lafontaine ab, nach dem die Bundesrepublik Beiträge zur Stabilisierung der DDR-Wirtschaft erbringen sollte. Auf dem EG-Gipfel am 9. Dezember 1989 in Straßburg stand Kohl noch starken Vorbehalten gegen die sich anbahnende Wiedervereinigung gegenüber. Am 18. Mai 1990 wurde der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR unterzeichnet, der am 1. Juli in Kraft trat. In der Frage des Umtauschkurses der wegfallenden Mark der DDR in die Deutsche Mark setzte Kohl aus politischen Erwägungen den – finanzwirtschaftlich unrealistischen – Kurs von 1:1 bei Löhnen, Gehältern, Mieten und Renten durch. Dies erwies sich später als starke Belastung für die Betriebe der neuen Bundesländer. In diesem Zusammenhang prägte Kohl die Metapher der „blühenden Landschaften“ für den erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung Ostdeutschlands. Mit Außenminister Genscher und DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière erreichte Kohl in den sogenannten Zwei-plus-Vier-Gesprächen die Zustimmung der Vier Mächte zur Wiedervereinigung Deutschlands und die Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in die NATO. Am 12. September 1990 wurde in Moskau der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet; die maßgeblichen Politiker der vier Großmächte waren damals Michail Gorbatschow, Margaret Thatcher, George H. W. Bush und François Mitterrand. Obwohl die Frage der deutschen Ostgrenze im Zwei-plus-Vier-Vertrag abschließend geregelt war, sah Kohl die Wichtigkeit der deutsch-polnischen Aussöhnung. Noch im November schloss er für das vereinigte Deutschland mit Polen den Deutsch-polnischen Grenzvertrag ab, der die Gültigkeit der Oder-Neiße-Grenze bilateral festschrieb. 1991 folgte der Deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag. Bei der Entscheidung über den sogenannten Hauptstadtbeschluss am 20. Juni 1991 stimmte Kohl für den Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin. Er veranlasste den Bau des neuen Bundeskanzleramts, den erst sein Nachfolger Gerhard Schröder beziehen konnte. Bereits in seiner ersten Regierungserklärung regte Kohl 1982 den Aufbau einer Sammlung zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn an. Im Jahre 1990 wurde zu diesem Zweck die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegründet, die 1994 das Haus der Geschichte in Bonn eröffnete und Träger weiterer Gedenkstätten ist. Allerdings vergas man im Haus der Geschichte die Währungen.
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