Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands
Dr. Heiner Geißler
Heiner Geißler (eigentlich Heinrichjosef Georg Geißler; * 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar; † 11. September 2017 in Gleisweiler) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von Mai 1967 bis Juni 1977 Minister in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz unter den Ministerpräsidenten Peter Altmeier, Helmut Kohl und Bernhard Vogel, 1982 bis 1985 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit im Kabinett Kohl und von 1977 bis 1989 Generalsekretär der CDU. Besonders während der Zeit als Generalsekretär fiel Geißler öfter durch stark polarisierende Äußerungen über politische Gegner auf. Später sorgte seine Wendung zu tendenziell linken Positionen, vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, für beträchtliches Aufsehen und Kritik in seiner Partei, z. B. als er im Jahr 2007 der globalisierungskritischen Organisation attac beitrat. Geißler wurde als viertes von fünf Kindern eines Oberregierungsrats geboren. Dieser war Mitglied der Zentrumspartei, passte sich nicht an die Nazi-Ideologie an und wurde oft strafversetzt, unter anderem nach Tuttlingen (1938 bis 1940) und nach Spaichingen, wo die Familie das Kriegsende erlebte. Er wurde in der Endphase des Zweiten Weltkrieges zum Schanzdienst eingezogen; ihm gelang mit einem Schulkameraden die Flucht nach Hause. Nach Schulbesuch in Ravensburg, Tuttlingen, Hannover und Spaichingen kam er mit 16 Jahren auf die als Eliteschule geltende Jesuitenschule Kolleg St. Blasien im Schwarzwald, da es in Spaichingen keine zum Abitur führende Schule gab. Nach dem Abitur 1949 trat er mit 19 Jahren als Novize dem Jesuitenorden bei. Nach vier Jahren verließ er ihn, bevor er dauerhaft die Ordensgelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam hätte ablegen sollen: „Mit 23 Jahren habe ich gemerkt, ich kann zwei – also mindestens eins – dieser Gelübde nicht halten. Die Armut war es nicht.“ Geißler studierte Philosophie an der von Jesuiten betriebenen Hochschule für Philosophie München und anschließend Rechtswissenschaften in München und Tübingen. Dort wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung Alamannia im KV. Sein juristisches Studium schloss er 1957 mit dem ersten Staatsexamen ab. 1962 folgte das zweite Staatsexamen. 1960 wurde er zum Dr. jur. promoviert. 1962 war er als Richter am Amtsgericht Stuttgart tätig und von 1962 bis 1965 als Regierungsrat Leiter des Ministerbüros des Arbeits- und Sozialministers des Landes Baden-Württemberg Josef Schüttler. Geißler war Mitglied der CDU. Zusammen mit Franz Sauter, Erwin Teufel und Josef Rebhan gründete er im Jahr 1956 den Kreisverband Rottweil der Jungen Union. Von 1961 bis 1965 war er Landesvorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg. 1977 wurde er als Nachfolger von Kurt Biedenkopf zum Generalsekretär der CDU gewählt. Als solcher managte er bis 1989 die CDU in drei Bundestagswahlen (1980, 1983 und 1987). Er ist bis heute der CDU-Generalsekretär mit der längsten Dienstzeit und der einzige, der gleichzeitig auch ein Ministeramt bekleidete. In dieser Zeit war er verantwortlich bei der Verabschiedung des Grundsatzprogramms der CDU und prägte entscheidend die neuen außenpolitischen Ideen der CDU, die auf dem Jugendparteitag in Hamburg entwickelt wurden und als Voraussetzung für die spätere Koalition mit der FDP galten, sowie die neue Frauenpolitik der CDU (Bundesparteitag 1985 in Essen). Auf dem Bundesparteitag der CDU im September 1989 wurde Geißler nicht erneut als Generalsekretär vorgeschlagen, nachdem sich zwischen ihm und Helmut Kohl erhebliche Differenzen über den weiteren Kurs der CDU entwickelt hatten und er gemeinsam mit Lothar Späth und Rita Süssmuth die Ablösung Kohls von der Parteispitze vorbereitet hatte. Er gehörte danach bis 1998 dem Präsidium der CDU und bis 2002 dem CDU-Bundesvorstand an. Am 26. November 1999 räumte er im Verlauf der CDU-Spendenaffäre ein, dass die Partei in der Ära Kohl „schwarze Konten“ geführt hatte. 1977 verantwortete Geißler eine Broschüre, in der er viele linke und liberale Kulturschaffende und Politiker der Bundesrepublik Deutschland als „Sympathisanten des Terrors“ (gemeint waren die Anschläge der Rote Armee Fraktion) beschuldigte, darunter Helmut Gollwitzer, Heinrich Albertz, Günter Wallraff, Herbert Marcuse und Bundesinnenminister Werner Maihofer. 1983 sprach Geißler von der SPD als „Fünfte Kolonne der anderen Seite“, mit der der Ostblock gemeint war, als es um die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Europa ging. Im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 1983 setzte Geißler das Zitat „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ aus Bertolt Brechts Drama Leben des Galilei gegen die SPD ein. Willy Brandt warf ihm am 12. Mai 1985 vor, „seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land“ zu sein. Geißler wertete dies als Reaktion auf seine Bemerkung zum diktatorischen System der DDR, die er im Zusammenhang mit einer von der SPD initiierten Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag des Endes der NS-Diktatur in Deutschland getätigt hatte. Fälschlich wird Brandts Ausspruch zuweilen mit Geißlers Auschwitz-Pazifismus-Vergleich (siehe unten) in Verbindung gebracht. Geißler übte Kritik an der Verleihung des Friedensnobelpreises 1985 an International Physicians for the Prevention of Nuclear War, da deren Vizepräsident, der sowjetische Gesundheitsminister Jewgeni Tschasow, Dissidenten in psychiatrische Anstalten einweisen ließ.
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