Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands
Egon Krenz
Egon Rudi Ernst Krenz (* 19. März 1937 in Kolberg, Pommern) ist ein ehemaliger deutscher Pädagoge sowie Politiker der SED. Er war vom 17. Oktober bis zum 6. Dezember 1989 als Nachfolger Erich Honeckers SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzender der DDR. Bei der Antrittsrede führte er den Begriff Wende in die DDR-Politik ein, der bis heute, hauptsächlich wegen dieses Ursprungs, vor allem von ehemaligen Bürgerrechtlern in der DDR abgelehnt wird. In den Mauerschützenprozessen im Jahre 1997 wurde Krenz wegen Totschlags zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. 2003 wurde er aus der Haft entlassen. Krenz war im Mai 1989 als Leiter der Zentralen Wahlkommission für die Ergebnisfälschungen bei der Kommunalwahl mit verantwortlich. Zur blutigen Niederschlagung des Studentenaufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking äußerte er, es sei „etwas getan worden, um die Ordnung wiederherzustellen“. Die Furcht vor einer „Chinesischen Lösung“ verschärfte sich in der DDR noch, als Krenz während der Anfänge der revolutionären Entwicklungen am 1. Oktober 1989 zum 40. Jahrestag der Gründung der VR China dorthin reiste. Manfred Görtemaker bezeichnete diese Reise als Signal für eine „politische Hilfestellung für ein undemokratisches, totalitäres Regime“. Die blutige Niederschlagung des Studentenaufstandes wurde von Krenz dort offen unterstützt. Danach setzte er sich jedoch als verantwortlicher ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen und Wortführer innerhalb der jüngeren Kräfte in der SED-Parteiführung für eine friedliche Reaktion der Sicherheitskräfte bei den Montagsdemonstrationen ein. Allerdings verbot erst der Befehl 9/89, den Krenz am 13. Oktober gemeinsam mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Fritz Streletz an Honecker vorbei formulierte, den Gebrauch von Schusswaffen bei Demonstrationen. Zuvor war die Nationale Volksarmee für den 6. bis 9. Oktober in „erhöhte Gefechtsbereitschaft“ versetzt worden. Zu den für alles Weitere entscheidenden Leipziger Ereignissen am 9. Oktober unterscheiden sich Krenz’ Darstellung und die Angaben der Leipziger Menschenrechtsgruppen 1989[8] erheblich. Während ersterer mit Bezug auf sich selbst schreibt, dass die „Weichen für die Zurückhaltung der Einsatzkräfte in Berlin gestellt“ worden seien, waren deren Leiter, der Polizeipräsident und der SED-Bezirksleitungschef von Leipzig während der Demonstration mit ihren Entscheidungen, die erst nachträglich von Krenz gebilligt wurden, weitgehend auf sich selbst gestellt. Was auch immer vorher in Berlin als umorientierende „Weichenstellung“ gelaufen sein mag, war offenbar nicht bis zur Basis der NVA „durchgestellt“ worden. Noch am Nachmittag wurde MG-Schützen bei Befehlsverweigerung mit Militärgericht gedroht. Trotz des desolaten Gesundheitszustandes und der Wirklichkeitsvergessenheit Honeckers, die große Gefahren in sich barg, wurde ihm erst Mitte Oktober 1989 durch das Politbüro der Rücktritt nahegelegt. Am 18. Oktober wurde der „Kronprinz“ Krenz sein Nachfolger als Generalsekretär des ZK der SED. In der Antrittsrede verwendete Krenz erstmals DDR-offiziell den Wende-Begriff. Dabei war die Stabilisierung der SED-Herrschaft als Ziel klar vorgegeben: „Mit der heutigen Tagung werden wir eine Wende einleiten, werden wir vor allem die politische und ideologische Offensive wieder erlangen.“ Krenz wurde am 24. Oktober 1989 außerdem Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR. Er verließ mit seiner Frau und seinem Sohn die Wohnsiedlung für die Mitglieder des SED-Politbüros Waldsiedlung Wandlitz bei Berlin und wollte „damit ein Signal setzen“. Für den 1. November folgte er einer Einladung Gorbatschows nach Moskau. Dazu heißt es in dem Buch Endspiel: „Egon Krenz heizte die Stimmung am 1. November nochmals an. Auf einer Pressekonferenz in Moskau sagte er, alles was sich in den letzten Tagen und Wochen positiv entwickelt habe, sei das Ergebnis von Politbüro und ZK der SED.“ Jedoch bezeichnete er dies in seinem Buch von 1990 als einen „Fehler“: „Ich hatte davon gesprochen, dass meine Partei eine Wende eingeleitet hat. Ich wollte dabei aber sagen, dass wir in der Partei eine Wende eingeleitet hatten. So verstanden viele: Die Wende durch das Volk hatte es gar nicht gegeben. Die hatte allein die Partei ‚ganz oben‘ gemacht. Das hatte ich natürlich nicht gemeint, und dieser Ausrutscher tat mir leid.“ Diese reuige Darstellung ist wenig bekannt. In seinem Jahre später publizierten tagebuchartigen Bericht stehen 15 Seiten zum 1. November, auf denen die Pressekonferenz (bei 100 Minuten Direktübertragung durch das DDR-Fernsehen) mit keinem Wort erwähnt ist. Am 3. November unterzeichnete Krenz den Befehl 11/89 im Hinblick auf die für Berlin angekündigte Großdemonstration am Folgetag. Darin hieß es: „Die Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten.“ Nach dem Mauerfall am 9. November, der ebenfalls ohne Blutvergießen erreicht werden konnte, nahm die Unsicherheit seines Agierens erheblich zu. Bei einer Tagung des „Demokratischen Blocks“ am 11. November zur Vorbereitung des Kabinetts Modrow traf er erstmals mit dem neuen CDU-Vorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Lothar de Maizière zusammen. Seine vorformulierte „kleine Presseerklärung“ zur Tagung charakterisierte dieser als „Hofberichterstattung alten Stils“ und schlug gekürzte Titulierungen vor mit „Herr Generalsekretär Krenz“ ohne Staats- und Verteidigungsrat usw. Dazu Krenz mit Papier und Stift: „Können Sie mir das noch einmal sagen.“ Am 29. November versuchte er, auf den Zug des Aufrufs „Für unser Land“ aufzuspringen. Dieser enthielt das Plädoyer für eine vorerst eigenständige, sozialistische DDR. Am 3. Dezember 1989 trat das Politbüro des ZK der SED (einschließlich Egon Krenz) nach massiven Protesten auch aus der Basis der Partei geschlossen zurück. Krenz gab nach siebenwöchiger Amtszeit am 6. Dezember den Vorsitz des Staatsrates an den LDPD-Politiker Manfred Gerlach ab. Im Januar 1990 legte er sein Volkskammermandat nieder und wurde aus der inzwischen umbenannten SED-PDS unter Gregor Gysi ausgeschlossen. Mit dieser Aussage endet sein Buch aus dem gleichen Jahr. Leugnung des Schießbefehls - Als 2007 der Schießbefehl an Angehörige einer Spezialeinheit des Ministeriums für Staatssicherheit innerhalb der Grenztruppen, die „die Bewachung der Bewacher“ zu übernehmen hatten, erneut in den Medien publiziert wurde („Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben.“, leugnete Krenz erneut die Existenz der „Schießbefehle“: „Es hat einen Tötungsbefehl, oder wie Sie es nennen ‚Schießbefehl‘, nicht gegeben. Das weiß ich nicht aus Akten, das weiß ich aus eigenem Erleben. So ein Befehl hätte den Gesetzen der DDR auch widersprochen.“
Berlin - Die Vergangenheit lässt Egon Krenz (82) nicht los. Gorbatschow, Honecker, der Untergang der DDR – das alles beschäftigt ihn noch heute. In seinem neuen Buch „Wir und die Russen“ holt der letzte SED-Generalsekretär und vorletzte DDR-Staatsratschef zum großen Rundumschlag aus. Vor allem „Gorbi“, der viele DDR-Bürger begeisterte, fällt bei Krenz komplett durch. Buchautor Krenz ist einer der letzten Zeitzeugen aus der DDR-Führung. Er war dabei, als die Eliten von Ost-Berlin und Moskau im Hinterzimmer aufeinandertrafen. Sie stritten über: Gorbatschow und seine Perestroika. Krenz beschreibt, wie sich Honecker über den Kurs des KPdSU-Chefs aufregte. „Wollt Ihr Perestroika und leere Regale?“, habe Honecker gezürnt. Für ihn sei Perestroika ein Abriss-Programm gewesen. Erstmals enthüllt Krenz dieses drastische Beispiel für das Planungschaos und die wirtschaftliche Schieflage der Sowjetunion: Die DDR habe dem „großen Bruder“ 1985 eine halbe Million Tonnen Kartoffeln liefern müssen. Doch dann sei aus Leningrad die Meldung gekommen, dass die Hilfslieferung zwar eingetroffen sei, aber leider verfaule – Entladung und Abtransport klappten nicht. Krenz lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht viel von Michail Gorbatschow hält. Es sei ein Fehler gewesen, ihm so lange zu vertrauen. „Gorbi“ habe zwar die Zeichen der Wendezeit erkannt, aber „kein strategisches Denken“ besessen. Das stolze Sowjetreich sei zerfallen. Gerhard Schröder war von Honecker beeindruckt Letzte Geheimnisse weiß Krenz auch über andere Zeitgenossen zu enthüllen – etwa über den späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Im Buch ist ein Original-Brief des West-Politikers an Krenz abgedruckt. In dem Schreiben von Januar 1986 bedankt sich Schröder für einen schönen DDR-Besuch: „Die Gespräche in der DDR waren offen und informativ. Besonders war ich von Erich Honecker beeindruckt.“ Gerhard Schröder wünscht Krenz „viel Kraft und vor allen Dingen Gesundheit“ für „Euren Parteitag und die Volkskammerwahlen“. Wer hätte gedacht, dass Schröder so heftig mit der DDR flirtete? Sein Fett weg bekommt im neuen Krenz-Buch aber auch Erich Honecker. Spätestens seit 1987 habe im Politbüro großer Frust über dessen Führungsstil geherrscht. Honecker habe Scheuklappen getragen, sich zu Alleingängen hinreißen lassen. Als er 1988 soweit ging, die sowjetische Zeitschrift „Sputnik“ in der DDR zu verbieten, seien selbst treue Genossen fassungslos gewesen. Das neue Buch von Egon Krenz. - Die Premiere von „Wir und die Russen“ (Edition Ost)
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