Spezial - Rosenberg Nummer 84
Es ist über 30 Jahre her, da hab ich dem Gietl Verlag den Schein für den Katalog zur Verfügung gestellt.
Die 20.000-Mark-Reichsbanknote mit dem Firmenzeichen „MX“ Trotz der relativ großen Stückzahl stellte Keller in seinem 1956 erschienen Katalog fest, dass bisher keine 20.000-Mark-Noten mit dem Firmenbuchstaben „MX“ in Sammlungen vorlägen. 1988 meldete dann ein Sammler den hier abgebildeten Schein der Redaktion des „Geldscheinsammlers“.
Dieser Schein ist auf der Vorderseite in den vier Ecken schräg jeweils mit „wertlos“ gestempelt. Zusätzlich steht am oberen Rand handschriftlich „Tewes“. Das vorgesetzte Wort ist wegen eines Tintenkleckses nicht lesbar. Auf der Rückseite am unteren unbedruckten Rand der zweizeilige handschriftliche Vermerk: „Diese Serie MX wurde von den Franzosen in Mülheim Ruhr geraubt. Die Noten wurden aus [am rechten Rand dann] diesem Grunde als ungültig / beanstandet.“ Bei der Auktion 37 der Kurpfälzischen Münzhandlung (KPM) in Mannheim am 15. Dezember 1989 wurde der Schein als Los 2050 bei einem Ausruf von 100 DM bei 220 DM + Aufgeld zugeschlagen.
2010 bildete dann Joachim Eyl in seinem Aufsatz gleich drei Vorderseiten dieser Noten ab, die er auf einem Flohmarkt preiswert erstanden hatte. Sie wurden im Gegensatz zum vorher beschriebenen Schein nicht als ungültig erkannt, denn bei ihnen fehlt ein entsprechender Vermerk.
Welche Geschichte steht hinter diesen „MX“-Banknoten? Mit Tagesgrauen rückten am 11. Januar 1923 fünf französischen Divisionen und einige belgische Einheiten unter General Degouttes Oberbefehl in das bisher unbesetzte Ruhrgebiet ein. Geringfügige Lieferrückstände bei den deutschen Reparationen an Frankreich boten dem französischen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré den willkommenen Vorwand für den Einmarsch der rund 60.000 Soldaten in das Herz der deutschen Schwerindustrie und seiner „Politik der produktiven Pfänder“. Den Deutschen sollte ihr wichtigster und wertvollster Rohstoff genommen werden: die Steinkohle. Das eigentliche Ziel der Aktion war jedoch die Revision des Versailler Vertrags und die Verschiebung der deutschen Westgrenze nach Osten.
In Deutschland löste der Einmarsch einen parteiübergreifenden Sturm der Entrüstung aus. Die deutsche Regierung unter Wilhelm Cuno forderte die Bevölkerung des Ruhrgebiets zum passiven Widerstand auf und verbot ihren Beamten, Befehle der Besatzungsmacht zu befolgen. Da die Arbeiterschaft geschlossen nach dem Motto „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ handelte und auch die Eisenbahner die Arbeit verweigerten, war es für die Besatzer nur unter größten Schwierigkeiten möglich, die begehrte Kohle nach Frankreich zu versenden. Das Militär verhängte den Ausnahmezustand und reagierte mit Terror gegenüber der Bevölkerung, mit abendlichen und nächtlichen Ausgangssperren, Verhaftungen, Gerichtsverfahren mit harten Urteilen, bis hin zur Todesstrafe, sowie Plünderungen, Erhebung von Kontributionen und Requirierungen aller Art, wovon auch die Reichsbank nicht ausgenommen war.
Am Vormittag des 6. Aprils 1923 besetzten französische Soldaten das Druckereigebäude der Buchdruckerei E. Marks in Mülheim an der Ruhr, die mit der Herstellung von 20.000-Mark-Reichsbanknoten betraut war. Die Produktion lief zu diesem Zeitpunkt auf Hochtouren. 93.300 Scheine waren fertig gedruckt und nummeriert, davon waren bereits 76.500 geschnitten, der Rest, 800 Bogen mit je 21 Scheinen, war ebenfalls fertig und bereit zum Zerschneiden. Sie fielen den Franzosen in die Hände, hinzu kamen weitere 41 Doppelbogen, die noch nicht nummeriert waren und später von den Eindringlingen mit falschen Kennziffern vervollständigt und in Verkehr gesetzt worden. Erst am frühen Abend rückte die Besatzung mit ihrer Beute, zu der neben den fast 2 Milliarden Mark in Banknoten auch Druckplatten und Banknotenpapier gehörten, ab. Der Wert des 20.000-Mark-Scheins betrug bei dem Dollar-Tageskurs von 22.575 Mark fast einen US-Dollar. Reichsbank-Vizepräsident von Glasenapp stellte in der Sitzung des Reichsbank-Kuratoriums am 29. Juni 1923 fest, dass es sich bei den gestohlenen Reichsbanknoten um Falschgeld handele:
„Es ist ja klar: diese Verwendung von bereits gedruckten Notenformularen, die aber noch keine Noten waren, freilich sich von den Noten gar nicht unterscheiden lassen, ist eine Verwendung gefälschten Papiers; denn wenngleich sich auch dieses Notenformular von einer richtigen Note nicht unterscheiden läßt, ist es eben doch keine Note. Die Nummerierung der Note und die Zerschneidung der Note ist ja die richtige Fälschung des Papiergeldes, darüber kann gar kein Zweifel sein.“
Die Reichsbank „schlachtete“ diesen Diebstahl in der Presse propagandistisch aus und wies natürlich auf die Ungültigkeit der Noten hin. Letzteres war nur möglich, weil noch keine der in der Druckerei hergestellten Noten an die Bankanstalt abgeliefert worden waren und sich zu diesem Zeitpunkt auch noch keine 20.000-Mark-Noten mit dem Firmenbuchstaben „MX“ in Umlauf befanden.
Einige Tage nach dem Vorfall in der Druckerei versuchten in Köln Vertreter der Banque Belge eben diese MX-Noten im Wert von 400 Millionen Mark auf ein Girokonto einzuzahlen, was natürlich abgelehnt wurde.
„Einige Zeit darauf sind in einer anderen Bankanstalt Belgier erschienen und haben 6 Millionen Mark präsentiert. Diese wurden auch zurückgewiesen, die Belgier haben aber diese 6 Millionen auf dem Tisch liegen lassen und haben sich gewaltsam aus der Kasse 6 andere Millionen genommen und sind damit abgegangen,“
so der weitere Bericht. Bereits am 8. April meldete die Vossische Zeitung in der Abendausgabe, dass die französischen Behörden die Druckplatten und das Wertzeichenpapier zurückgegeben hätten.
Nach den Vorkommnissen in Mülheim war die Reichsbank dazu übergegangen, die fertigen Druckbögen erst in den Reichsbankanstalten zu nummerieren und zu schneiden. Dafür hatte man die entsprechenden Maschinen, meist in den Kellerräumen der Bankgebäude, installiert. Dies blieb natürlich den Besatzungsbehörden nicht verborgen und so drang das Militär in verschiedene Reichsbankfilialen ein und konfiszierte die neuen Banknoten.
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