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 Betreff des Beitrags: Re: Zeitzeugen - Wiedervereinigung
BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:13 
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Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands

Dr. Roland Wötzel

Roland Wötzel (* 3. Juni 1938 in Plauen) war zur Zeit der Wende in der DDR Mitglied der SED-Bezirksleitung in Leipzig. Bekannt wurde er vor allem als einer der Leipziger Sechs, deren durch Kurt Masur verlesener Aufruf am 9. Oktober 1989 nicht unwesentlich dazu beitrug, dass die Leipziger Montagsdemonstration erstmals ohne Gewalt von Seiten der Staatsführung ablaufen konnte.
Roland Wötzel wuchs mit drei Geschwistern – ein weiteres war Opfer der NS-„Euthanasie“ geworden – in einfachen Verhältnissen im Vogtland auf. Er konnte die Oberschule besuchen und studierte bis 1960 Wirtschafts- und Rechtswissenschaft. Er schloss als Diplomökonom und Diplomjurist ab. Bereits 1959 trat er in die SED ein. Zunächst arbeitete in der Exportabteilung des Kombinats Leunawerke, kam dann zur zentralen Plankommission und wurde hinterher erster stellvertretender Vorsitzender der Bezirksplankommission Leipzig. 1971 rückte er zum Vorsitzenden auf und wurde zusätzlich stellvertretender Vorsitzender des Rates des Bezirks Leipzig. Beide Posten hatte er bis 1977 inne. Außerdem war er seit 1971 Mitglied der SED-Bezirksleitung und Abgeordneter des Bezirkstages. 1977 und 1978 studierte er an der Parteihochschule der KPdSU. Anschließend wurde er 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Leipzig-Stadt und 1984 Sekretär für Wissenschaft und Erziehung der SED-Bezirksleitung Leipzig. Der in der Ära Gorbatschow als reformbereit geltende Wötzel konnte sich innerhalb der Bezirksleitung unter dem Vorsitzenden Horst Schumann und dem 2. Sekretär Helmut Hackenberg nie durchsetzen. Als die Opposition im Spätsommer 1989 erstarkte, war Wötzel als einer der ersten hohen SED-Funktionäre zu Gesprächen bereit. Ein durch den mit Wötzel gut bekannten kritischen Kabarettisten Bernd-Lutz Lange unternommener Versuch eines Dialogs wurde durch das Verbot des Neuen Forums vereitelt, als auch Wötzel sich der Parteidisziplin unterwarf.
Der 9. Oktober 1989
Während die SED-Führung die im August beginnenden Montagsdemonstrationen nach dem traditionellen Friedensgebet in der Nikolaikirche als vom Westen gesteuerte konterrevolutionäre Zusammenrottungen diffamierte und mit Volkspolizei und Staatssicherheit gegen die Demonstranten vorging, war Wötzel über die wirklichen Umstände gut informiert. Als für den 9. Oktober eine gewaltsame Niederschlagung der Demonstration drohte, setzte sich Wötzel mit seinen SED-Kollegen Kurt Meyer, der ebenfalls reformorientiert war und als Kultursekretär gute Verbindungen zum Gewandhaus-Orchesterchef Kurt Masur hatte, und Jochen Pommert, der als Sekretär für Agitation und Propaganda für die unsachliche Berichterstattung und Gewaltdrohungen in der Presse mit verantwortlich war, zusammen, um nach Mitteln zur Verhinderung der Eskalation der Gewalt zu suchen. Zuvor hatte Masur Meyer angerufen, um nach einer Lösung zu suchen. Die drei Sekretäre fuhren dann zu Masur, nachdem Wötzel noch Lange und den Theologen Peter Zimmermann von der Universität Leipzig hinzugezogen hatte, um einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit zu verfassen, der in den Kirchen und über den Stadtfunk verlesen werden sollte. Bereits angesichts des gewalttätigen Polizeieinsatzes zwei Tage zuvor hatten Lange und Wötzel ein Treffen für den Montag verabredet, wobei sie auch an ein Gespräch in der Nikolaikirche gedacht hatten. Die drei SED-Sekretäre, der Kabarettist und der Theologe trafen sich mit Masur in dessen Haus in Leutzsch, um den Aufruf zu verfassen. Dieser wurde in allen zum Friedensgebet offenen Kirchen verlesen, und in einer von Masur verlesenen Fassung im Rund- und Stadtfunk gesendet, was ebenfalls durch Wötzels Einfluss möglich wurde. Der Aufruf hatte auf viele Demonstranten eine erleichternde Wirkung, doch dass die bis dahin größte Demonstration in Leipzig friedlich verlaufen konnte, lag in erster Linie an der großen Zahl der Demonstranten und deren konsequenter Friedfertigkeit. Wie später dokumentiert werden konnte, war die Mehrzahl der eingesetzten Bereitschaftspolizisten, die in der DDR aus Wehrpflichtigen bestand, nicht zum körperlichen Einsatz gegen die Demonstranten bereit.
SED-Bezirkschef

Am 4. November trat die bisherige Leipziger Bezirksleitung zurück. Wötzel wurde zum neuen 1. Sekretär ernannt. Obwohl er als Reformer und für seine Rolle am für die Stadt und den Erfolg der Bürgerbewegung so entscheidend wichtigen 9. Oktober bekannt war, konnte er jedoch keine entscheidenden Akzente mehr setzen, da nun die endgültige Entmachtung der SED vordringliches Ziel der Demonstranten war und Wötzel als Vertreter der SED kein Gehör mehr fand. Sein Versuch, bei der Montagsdemonstration am 6. November zu den Demonstranten zu sprechen, ging in einem Pfeifkonzert unter. Mit der Auflösung des Bezirks Leipzigs im Zuge der Neukonsolidierung der ostdeutschen Länder endete auch die politische Karriere Wötzels. Dieser gründete eine Anwaltskanzlei, in der er auch heute noch tätig ist.


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 Betreff des Beitrags: Re: Zeitzeugen - Wiedervereinigung
BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:18 
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Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands

Dr. Phil. Kurt Meyer

Kurt Meyer (* 9. Mai 1909 in Leipzig; † 18. Januar 1998 in Heidelberg) war ein deutscher Germanist und Gymnasiallehrer.
Leben
Kurt Meyer wuchs in Leipzig auf. Als Sechsjähriger zog er sich eine unfallbedingte Knochenmarksentzündung im Schienbein zu. Durch den einjährigen Krankenhausaufenthalt in Leipzig kam er ans Lesen. Das Knie blieb steif, das Bein verkürzt. Eigentlich sehr sportlich, engagierte er sich im Wandervogel. Von 1920 bis 1929 besuchte er die Leipziger Leibnizschule. Nach dem Abitur studierte er ab dem Sommersemester 1929 an der Universität Leipzig Germanistik, Geschichte und Geographie. Das Sommersemester 1930 verbrachte er an der Universität Wien. Seine Doktorarbeit bei Georg Witkowski in Leipzig befasste sich mit den Novellen von Paul Heyse und Thomas Mann. Von der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig wurde er am 26. August 1933 zum Dr. phil. promoviert. 1934 bestand er das Staatsexamen für das höhere Lehramt.
Wegen seines jüdischen Doktorvaters blieb Meyer in der Zeit des Nationalsozialismus der Schuldienst verschlossen. So ging er nach dem Referendarjahr als Lektor an die Deutsche Akademie München. Sie entsandte ihn nach Korfu (1935) und Athen (1937). 1938 wurde ihm die Leitung der Mittelstelle für den deutsch-griechischen Kulturaustausch in Athen übertragen. Dort vertrat er einen evolutionären Kurs. Auch den Deutschen Akademischen Austauschdienst vertrat er einige Jahre. 1943 wurde er auf eigenen Wunsch nach Den Haag versetzt. Nachdem die Sprachkurse in den Niederlanden eingestellt worden waren, bearbeitete er in Salzburg noch einige Manuskripte geplanter Sprachlehrbücher für das Goethe-Institut der Akademie. Bis Kriegsende hielt er dann noch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Sprachkurse für ungarische Studenten ab.
Nach Kriegsende wieder in Leipzig, verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst durch schriftstellerische Arbeiten für Leipziger Verlage (Übersetzungen, Textausgaben, Kommentare). Von den Amerikanern bereits für den Schuldienst freigegeben, drohte ihm von sowjetischer Seite Zwangsarbeit im Bergbau, weil er zur Zeit der deutschen Besetzung in Griechenland gewesen war. Er entging ihr, weil er in Athen den emigrierten Kommunisten Otto Kielmeyer eingestellt hatte. Ab 1947 arbeitete Meyer als angestellter Redakteur an einer dreibändigen Goethe-Ausgabe und am ersten Lexikon des VEB Bibliographisches Institut mit. Nebenbei war er Lektor für den Paul List Verlag. Er verließ die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und trat am 1. April 1954 in den höheren Schuldienst der Stadt Bremerhaven. Als Studienrat unterrichtete er erst an der Pestalozzischule, dann an der Wilhelm-Raabe-Schule und nebenbei am Abendgymnasium. Er wurde 1959 zum Oberstudienrat ernannt und mit der Fachberatung in Geschichte und Gemeinschaftskunde für alle Bremerhavener Gymnasien beauftragt. 1971 wurde er auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt. Seine Leitbilder waren zeitlebens Johann Wolfgang von Goethe und Thomas Mann.
Meyer engagierte sich im Kirchenvorstand der Christuskirche in Bremerhaven-Geestemünde. Verheiratet war er seit 1938 mit der österreichischen Lehrerin Anni geb. Haas. 1977 zog das Ehepaar zur Tochter in Heidelberg. Almut Agnes Meyer (* 1941) ist promovierte Philologin und Theologin. Sie war Lehrerin und Geschäftsführerin der Elisabeth-von-Thadden-Schule in Heidelberg.


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 Betreff des Beitrags: Re: Zeitzeugen - Wiedervereinigung
BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:21 
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Bernd-Lutz Lange

Bernd-Lutz Lange (* 15. Juli 1944 in Ebersbach, Landkreis Löbau, Sachsen) ist ein deutscher Autor und Kabarettist. Er war einer der Sechs von Leipzig, deren gemeinsamer Aufruf am 9. Oktober 1989 in Leipzig von großer Bedeutung war.
Bernd-Lutz Lange wuchs in Zwickau auf. Nach einer Gärtnerlehre arbeitete er in der LPG „Sieg des Sozialismus“ in Mosel bei Zwickau. 1963 wurde Lange Hilfskraft in einer Volksbuchhandlung und absolvierte eine zweite Berufsausbildung zum Buchhändler. In dieser Zeit sammelte er erste Bühnenerfahrungen als Sänger in den drei Bands „The Playboys“, der „KFZ-Band“ und der „Club-Band“. 1965 zog er nach Leipzig, um dort ein Studium an der Fachschule für Buchhändler in Leutzsch (heute Teil der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur) zu beginnen. Er war auch als Redakteur beim ostdeutschen Ableger des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel tätig. Von 1968 bis 1972 arbeitete er bei der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG).
1966 war Lange gemeinsam mit Gunter Böhnke, Christian Becher und Jürgen Hart Gründungsmitglied des Studentenkabaretts „academixer“. Im Sommer 1968 war er Teilnehmer der Stauseelesung von Leipzig, die weitere politische Repressalien, aber auch die Entdeckung Wolfgang Hilbigs als Lyriker zur Folge hatte. 1978 wurde er Berufskabarettist. 1988 verließ Lange die academixer. Er machte sich als Autor und Kabarettist gemeinsam mit Gunter Böhnke selbständig. Er schrieb alle Texte für das Kabarett-Duo. Von 1988 bis 2004 traten Lange und Böhnke zusammen auf diversen Kabarettbühnen in Deutschland auf. Das erste Programm hieß "Mir fangn gleich an!". Mit dem jüdischen Künstler Küf Kaufmann produzierte er das Programm „Fröhlich und Meschugge“. Nach der Trennung von Gunter Böhnke arbeitete er vorwiegend mit der Sängerin und Kabarettistin Katrin Weber zusammen. Mit Gunter Böhnke und Tom Pauls spielte Lange das Programm „Das Kaffeegespenst“. Am 28. Mai 2014 verabschiedete sich Bernd-Lutz Lange von der Kabarettbühne mit einer letzten Vorstellung, in der seine ehemaligen Kollegen Katrin Hart, Gunter Böhnke, Küf Kaufmann, Katrin Weber und Tom Pauls mitwirkten. Er will weiter als Autor tätig sein.
Bei den Massenprotesten 1989 engagierte sich Lange öffentlich für friedliche Veränderungen. Bekannt wurde er vor allem durch den Aufruf der „Sechs von Leipzig“, der nicht unwesentlich dazu beitrug, dass die Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 mit über 70.000 Teilnehmern friedlich verlief. Hierzu hatte er gemeinsam mit dem ihm gut bekannten Bildungssekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig Roland Wötzel, dem international angesehenen Gewandhaus-Dirigenten Kurt Masur, dem diesem gut bekannten SED-Bezirkssekretär für Kultur, Kurt Meyer (ebenso wie Wötzel einer der wenigen Reformer in der Leipziger SED, die sich allerdings bis dahin nie durchsetzen konnten), dem Theologen Peter Zimmermann und dem bisher als Hardliner, durch die drohende Eskalation der Gewalt aber zur Umkehr entschlossenen Bezirkssekretär für Agitation und Propaganda Jochen Pommert einen Text verfasst, den der seinerzeit in Leipzig bekannte und beliebte Kurt Masur über den Stadtfunk verlas und der auch in allen Kirchen nach dem Friedensgebet verlesen wurde.
Ab 1990 veröffentlichte Lange mehrere Bücher, die sich mit dem Leben in der DDR, aber auch mit dem Überleben der Leipziger Juden in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen.
Privates
Lange lebt in Leipzig-Südvorstadt und ist seit 1969 mit Ehefrau Stefanie verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn ist Alexander (Sascha) Lange (* 1971, Historiker, Autor und Musiker), von dem Bücher etwa über die Leipziger Meuten (Jugendopposition im Nationalsozialismus) und über Depeche Mode stammen. Vater und Sohn haben 2019 zusammen das Buch „David und Goliath“ über das Geschehen in Leipzig vor, am und nach dem 9. Oktober 1989 veröffentlicht.


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BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:26 
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Zeitzeugen - Wiedervereinigung Deutschlands

Jochen Pommert

"Wir sind das Volk"
Das Volk will Veränderungen: Teilnehmer der Montagsdemo am 9. Oktober 1989.
Die SED-Herrschaft in der DDR gerät nach den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag zusehends ins Wanken. In Leipzig demonstrieren Zehntausende Menschen für Reformen. Ihnen stehen schwerbewaffnete Sicherheitskräfte gegenüber. Doch die Staatsmacht weicht zurück.
Es ist der 9. Oktober 1989, ein Montag. Leipzig befindet sich bereits seit den Vormittagsstunden im Ausnahmezustand. In der zweitgrößten Stadt der DDR werden - wie bereits seit Wochen - viele Teilnehmer zum montäglichen Friedensgebet in der Nikolaikirche erwartet. Zuletzt ist die Zahl der Menschen, die sich auf den Weg ins Leipziger Stadtzentrum machen, kontinuierlich angestiegen. Am 2. Oktober, dem Montag vor dem 40. Geburtstag der DDR, waren es bereits 20.000 Menschen, die sich trotz Demonstrationsverbots auf die Straße wagten.
Die Leipziger Nikolaikirche hat sich im Verlauf der 1980er-Jahre zu einem Zentrum der immer stärker werdenden DDR-Opposition entwickelt. Seit 1982 treffen sich hier Menschen, um für Frieden und Menschenrechte zu beten. Ab dem Herbst 1988 sind es immer mehr Oppositionelle, die auf dem Kirchhof zusammenkommen, um gegen die SED-Herrschaft zu protestieren. Am 25. September 1989 finden sie erstmals den Weg zu Protestkundgebungen auf dem Augustusplatz und auf dem das Zentrum umschließenden Promenadenring.
Doch an diesem 9. Oktober 1989 ist alles anders. Nach den Auseinandersetzungen bei den Republikfeierlichkeiten in Ost-Berlin am 7. Oktober ist die Staatsmacht gewarnt. Sie zieht bewaffnete Kräfte in der Messestadt zusammen - rund 8000 sind es. Die Polizei erhält Verstärkung durch Soldaten der Nationalen Volksarmee und Angehörige der Betriebskampfgruppen. Auch die Staatssicherheit ist massiv im Stadtgebiet vertreten. Die Leipziger sind an diesem Tag aufgefordert, die Innenstadt möglichst zu meiden.
Gemeinsamer Aufruf zum Dialog
Es muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Entsprechende Gerüchte machen die Runde. Angeblich seien in den Krankenhäusern Sonderschichten eingeteilt und zusätzliche Blutkonserven geordert worden, heißt es. Der für das Montagsgebet verantwortliche Pfarrer Christian Führer ruft die Demonstranten zur Gewaltlosigkeit auf. Die junge Oppositionsorganisation "Neues Forum" fürchtet Provokationen seitens der Staatsgewalt und bereitet ihrerseits die Demonstranten darauf vor.
Auch an anderer Stelle gibt es Bemühungen, die in Leipzig herrschende angespannte Lage nicht eskalieren zu lassen. Bereits am 8. Oktober ruft die Schriftstellerin Christa Wolf im Deutschlandfunk beide Seiten zur Gewaltlosigkeit auf. Doch die wichtigste Nachricht zur Deeskalation wird über den Leipziger Stadtfunk verbreitet. Der Kapellmeister des weltberühmten Leipziger Gewandhauses, Kurt Masur, verfasst gemeinsam mit dem Theologen Peter Zimmermann, dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange und den Sekretären der Leipziger SED-Bezirksleitung, Kurt Meyer, Jochen Pommert und Roland Wötzel, einen Aufruf. Sie eine die "gemeinsame Sorge" um den Frieden in der Stadt, hießt es darin. Sie suchen nach einer Lösung, diesen zu erhalten. Die sechs Unterzeichner fordern das Zustandekommen eines "Dialogs", um gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern. Ausdrücklich soll dieser "mit unserer Regierung", also mit den Machthabern geführt werden.
Die Jahre 1989 und 1990 stehen für den politischen Umbruch in Osteuropa. Wichtige Ergebnisse sind das Ende des Kalten Krieges sowie der Teilung Deutschlands und Europas. In einer losen Reihe beleuchtet n-tv.de die Ereignisse von vor 30 Jahren.
Sind diese Bemühungen von Erfolg gekrönt? Nach dem Friedensgebet verlassen die Menschen um 18 Uhr die Nikolaikirche. Viele tragen eine Kerze, um Friedfertigkeit zu demonstrieren. Und es werden immer mehr: aus Leipzig und Umgebung sowie anderen Teilen der DDR. Sie setzen sich in Richtung Ring in Bewegung. Dort stehen Hundertschaften der Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken bereit. In den Nebenstraßen sind Panzerwagen und Wasserwerfer abgestellt, die jederzeit eingesetzt werden können. Doch die Demonstranten überwinden ihre Angst. Rufe wie "Wir sind das Volk" und "Keine Gewalt" ertönen. Rund 70.000 Menschen laufen über den Ring - die riesige Menschenmasse überrascht die Einsatzkräfte.
Rückruf bei Krenz
Noch immer gibt es den Befehl von SED-Chef Erich Honecker, der auch Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR ist, den Demonstrationszug aufzulösen. Die vielen Menschen bewegen jedoch einen Polizeikommandeur, Rücksprache mit der SED-Spitze in Berlin zu halten. Der für Sicherheitsfragen zuständige Sekretär Egon Krenz ruft eine Stunde später zurück und befiehlt den Gewaltverzicht. Allerdings sind die Zehntausenden Demonstranten zu dieser Zeit bereits einmal um den Ring herumgelaufen. Die Sicherheitskräfte vor Ort, die nicht eingegriffen haben, ziehen sich nach und nach zurück. Das Volk hat gesiegt - ohne dass ein Schuss gefallen ist.
Zwei Videofilmer nehmen Bilder von der Demonstration auf. Die Kassette wird auf schnellstem Wege von einem Korrespondenten nach West-Berlin geschmuggelt. Daher kann am späten Abend ein Beitrag über die Leipziger Großdemonstration in den ARD-"Tagesthemen" gesendet werden.
So wird der 9. Oktober 1989 zum Tag der Entscheidung für den weiteren Fortgang der Demokratiebewegung in der DDR. Die nicht genehmigte und bislang machtvollste Demonstration in der DDR-Geschichte bringt das SED-Regime endgültig ins Wanken. Eine schwerbewaffnete Staatsmacht weicht vor friedlich demonstrierenden Menschen zurück. Es ist ein Signal für immer mehr DDR-Bürger, ihre sichere Nische zu verlassen und auf die Straße zu gehen. Leipzig sorgt dafür, dass sich die Protestwelle über das ganze Land ausbreitet.


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 Betreff des Beitrags: Re: Zeitzeugen - Wiedervereinigung
BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:32 
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Prof. Dr. Horst Teltschik

Horst M. Teltschik (* 14. Juni 1940 in Klantendorf/Nordmähren, heute Kujavy im Okres Nový Jičín, Tschechien) ist ein deutscher Politologe und Wirtschaftsmanager. Er war enger Vertrauter Helmut Kohls und als Politischer Beamter im Bundeskanzleramt tätig. Von 1999 bis 2008 leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs flüchtete Teltschiks Familie nach Bayern. Sein Vater, der vorher selbständig war, fand in Tegernsee eine Stellung als Arbeiter. Teltschik, der sich aktiv in der katholischen Jugendbewegung beim Bund Neudeutschland betätigte, zuletzt als Dekanatsjugendführer, besuchte das Gymnasium Tegernsee und legte 1960 das Abitur ab.
Nach dem Grundwehrdienst als Reserveoffizieranwärter u. a. beim Panzerbataillon 54 der Bundeswehr (1960–1962; letzter Dienstgrad Oberleutnant der Reserve) studierte er von 1962 bis 1967 Politische Wissenschaften, Neuere Geschichte und Völkerrecht an der Freien Universität Berlin. Während seines Studiums war er RCDS-Vorsitzender an der FU Berlin, später Landesvorsitzender des RCDS in Berlin und stellvertretender Bundesvorsitzender (1965/66). 1967 schrieb er seine Diplomarbeit über den chinesisch-sowjetischen Konflikt.
Teltschik wandte sich nach einer kurzen akademischen Karriere (1968–1970) als Hochschulassistent am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen von Richard Löwenthal am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft hauptberuflich der Politik zu.
Von 1970 bis 1972 war er Leiter der Gruppe „Außen- und Deutschlandpolitik“ in der CDU-Bundesgeschäftsstelle (Konrad-Adenauer-Haus) in Bonn. 1972 gewann ihn der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, als Referent (Leitender Ministerialrat) für die Staatskanzlei in Mainz. Seitdem gehörte Teltschik zu dessen engem Beraterkreis. 1977 wurde er Leiter des Büros des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Bonn.
1982 wurde der Ministerialdirektor Leiter der Abteilung „Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik, Äußere Sicherheit“ im Bundeskanzleramt in Bonn. Ein Jahr später wurde er Stellvertretender Leiter des von Waldemar Schreckenberger (CDU) sowie später von Wolfgang Schäuble (CDU) und Rudolf Seiters (CDU) geleiteten Bundeskanzleramtes. 1989/90 war er Sonderbeauftragter für die Verhandlungen mit Polen; er war an den deutsch-deutschen Verhandlungen der Wendezeit und der Deutschen Wiedervereinigung beteiligt.
Tätigkeit in der Wirtschaft
Von 1991 bis 1992 war er Geschäftsführer der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh.
Von 1993 bis 2000 war er Vorstandsmitglied der BMW Group für das neu geschaffene Ressort „Wirtschaft und Politik“ und von 2000 bis 2003 Beauftragter des Vorstands für Zentral- und Osteuropa, Asien und den Mittleren Osten. Von 1993 bis Ende 2003 amtierte er als Vorsitzender der firmeneigenen BMW Stiftung Herbert Quandt in München.
Ab 2003 war er Präsident von Boeing Deutschland und Vizepräsident Boeing International. Nachdem der Streit um staatliche Subventionen zwischen Boeing und Airbus eskaliert war und im Oktober 2004 zu wechselseitigen Klagen vor der WTO geführt hatte, bemühten sich die Konfliktparteien im Dezember 2004 um eine Entschärfung der Auseinandersetzung. Teltschik erklärte dabei für Boeing, dass das Unternehmen die WTO nicht als „geeignete Plattform“ für die Auseinandersetzung der Wettbewerber ansehe. Teltschik beendete zum 30. Juni 2006 seine Tätigkeit bei Boeing. Seitdem ist er freiberuflich als Berater tätig.
Münchner Sicherheitskonferenz
Teltschik leitete von 1999 bis 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz. Anfang März 2003 überlegte man im Verteidigungsministerium und im Bundespresseamt, Teltschik in dieser Funktion wegen seines Postens als Präsident von Boeing Deutschland abzulösen. Teltschik sah sich jedoch in keinem Interessenkonflikt: „Wenn Boeing ein reiner Rüstungskonzern wäre, würde zwar auch er sein Engagement bei der Konferenz für ‚problematisch‘ halten. Der Militär-Anteil bei der US-Firma betrage aber nur etwa 20 Prozent.“ Er lehnte die Bezeichnung „Lobbyist“ ab, denn „wenn er nur den Türöffner für Boeing hätte spielen sollen, hätte er den Job nie angenommen“.


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BeitragVerfasst: So 23. Dez 2018, 18:37 
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Günter Nooke

Günter Nooke (* 21. Januar 1959 in Forst (Lausitz)) ist ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und ein deutscher Politiker (Bündnis 90, CDU). Nooke ist Afrikabeauftragter des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Von 2006 bis März 2010 war er Beauftragter für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe der Bundesregierung.
Nooke absolvierte von 1975 bis 1978 eine Ausbildung zum Baufacharbeiter mit Abitur und leistete anschließend den Wehrdienst bei der NVA ab. Danach begann er 1980 ein Studium der Physik an der Universität Leipzig, welches er 1985 als Diplom-Physiker beendete. Er war dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt als Fachgebietsleiter bei der Arbeitshygieneinspektion des Bezirks Cottbus tätig. 1990 beendete er ein postgraduales Studium als Fachphysiker der Medizin.
1995 war er für das Expo-2000-Generalkommissariat in Hannover und anschließend bis 1998 als Leiter der Abteilung Controlling in der Geschäftsstelle des Steuerungs- und Budgetausschusses für die Braunkohlesanierung tätig.
Günter Nooke ist verheiratet mit Maria Nooke, geb. Herche, und hat drei Kinder.
Partei
Siehe auch: Opposition und Widerstand in der DDR
Nachdem sich Nooke schon 1987 einer kirchlichen Oppositionsgruppe in der DDR angeschlossen hatte, gehörte er im Herbst 1989 zu den Mitbegründern und zum Vorstand des Demokratischen Aufbruchs (DA). Er gehörte in dieser Zeit auch dem Zentralen Runden Tisch in der DDR an. Wegen Differenzen über die weitere politische Ausrichtung trat Nooke im Januar 1990 aus dem DA aus und schloss sich der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt an, für die er auch für die Volkskammerwahl 1990 kandidierte.
Nachdem sich Demokratie Jetzt 1991 mit dem Neuen Forum und der Initiative Frieden und Menschenrechte zum Bündnis 90 zusammenschloss, war Nooke bis 1993 Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss des Bündnis-90-Landesverbandes Brandenburg. Als entschiedener Gegner der Parteienvereinigung zu Bündnis 90/Die Grünen trat er im Mai 1993 aus dem Bündnis 90 aus und begründete unter anderem zusammen mit Matthias Platzeck die politische Vereinigung BürgerBündnis.
Gemeinsam mit anderen bekannten Bürgerrechtlern trat Günter Nooke am 17. Dezember 1996 in die CDU ein. Er wirkte am Grundsatzprogramm des Brandenburger Landesverbandes mit. 2000 plädierte Nooke in einem Thesenpapier für den Berliner CDU-Landesverband für einen gelasseneren Umgang mit der SED-Nachfolgepartei PDS. Im Bundestagswahlkampf 2002 war er Spitzenkandidat der Berliner Landesliste. Sein Eintreten für eine Erneuerung des Berliner Landesverbandes im Rahmen des „Gesprächskreises Hauptstadtunion“, der sich selbst vornehmlich als Brücke in den vorpolitischen Raum verstand, führte ab 2002 zu innerparteilichen Spannungen, in deren Folge er auch sein Amt als Vorsitzender der Berliner CDU-Landesgruppe im Bundestag verlor.
Seit November 2018 ist Nooke Ländervorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU in Berlin und Brandenburg. In dieser Funktion lud er im Juni 2019 zu der Veranstaltungsreihe Christlicher Kulturschoppen ein, womit er eine frühere Gesprächsreihe fortsetzte. Er war von 2007 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU Pankow und von 2005 bis 2009 Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Prenzlauer Allee.
Nooke gehört dem CDU-Bundesfachausschuss Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte an.
Abgeordneter
Von März bis Oktober 1990 gehörte Nooke für Demokratie jetzt über die Liste des Bündnis 90 der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Hier war er Mitglied des Wirtschaftsausschusses und gehörte von Juli bis Oktober auch dem Verwaltungsrat der Treuhandanstalt an.
Von 1990 bis 1994 war Nooke Mitglied des Landtages von Brandenburg. In dieser Zeit war er auch Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90, das in der Ampelkoalition die Minister Matthias Platzeck, Marianne Birthler (bis 1992) und Roland Resch (ab 1992) stellte. Nach der Vereinigung von Bündnis 90 mit den Grünen und der Abspaltung der Vereinigungsgegner (darunter auch Nooke und Platzeck) als BürgerBündnis freier Wähler, beteiligten sich beide Gruppen weiter an der der Regierung. Nachdem Nooke im Frühjahr 1994 die Glaubwürdigkeit von Aussagen des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe im Untersuchungsausschuss zu dessen früheren Kontakten zum Ministerium für Staatssicherheit öffentlich in Frage stellte, kündigte die SPD am 22. März 1994 die Koalition auf.
Von 1998 bis 2005 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von Februar 2000 bis Oktober 2002 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und daneben auch Vorsitzender der Fraktionsarbeitsgruppe Angelegenheiten der Neuen Länder. Von Oktober 2002 bis Oktober 2005 war er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Kultur und Medien und damit auch kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er war außerdem Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in der Enquête-Kommission Kultur in Deutschland.
Nooke ist stets über die Landesliste Berlin in den Bundestag eingezogen.
Bei der Bundestagswahl 2005 kandidierte Nooke erneut im Wahlkreis Berlin-Pankow. Auf der Wahlkreisvertreterversammlung am 21. Juni 2005 setzte sich Nooke gegen seinen Herausforderer, den Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses, Christoph Stölzl, mit 83 Prozent der Stimmen durch. Obwohl er für die Bundestagswahl 2002 noch Spitzenkandidat der Berliner CDU war, erhielt er 2005 keinen Platz auf der Landesliste. Da er in seinem Wahlkreis nur 15,3 Prozent der Erststimmen erhielt, schied er nach der Bundestagswahl aus dem Bundestag aus.
Öffentliche Ämter
Nachdem er zunächst als Kulturstaatsminister im Gespräch war, wurde er am 8. März 2006 zum Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe ernannt. Da in der neuen Koalition die FDP dieses Amt beanspruchte, wurde Nooke am 31. März 2010 zum Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin berufen. Seit 2014 ist er Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Politisches
Als Kulturpolitiker auf Bundesebene wirkte er vornehmlich mit dem Schwerpunkt Erinnerungskultur. Auf Nookes Initiative vom Mai 1998 geht der geplante Bau eines Freiheits- und Einheitsdenkmals zurück. Als Berichterstatter der Unionsfraktion für Erinnerungskultur in Deutschland zeichnete er federführend für den Antrag „Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen“] verantwortlich, der 2004 eine öffentliche Kontroverse auslöste. Die Anhörung fand am 16. Februar 2005 im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien statt und zeigte im Ergebnis einen entsprechenden Handlungsbedarf auf. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe der CDU/CSU für die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ bezog er Positionen zu grundlegenden Veränderungen der Rahmenbedingungen des Kulturbetriebs in Deutschland.
Nooke war 1996 Gründungsmitglied des Bürgerbüros zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur.
Im Oktober 2018 geriet Nooke in die Kritik, nachdem er in einem Interview gesagt hatte, „Experten, auch Afrikaner, sagen: Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit.“ Der Kolonialismus habe dazu beigetragen, Afrika aus archaischen Strukturen zu lösen. Kritiker aus den Parteien SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sahen darin Geschichtsrevisionismus und Rassismus; Unionspolitiker verteidigten ihn mit dem Argument, dass die Kolonialzeit lange zurückläge. Dennoch führten afrikanische Regierungen „den Kolonialismus als Entschuldigung an, um vom eigenen Versagen abzulenken“. Das sei Nookes Punkt. Dieser entgegnete der Kritik, es liege ihm fern „in irgendeiner Weise die Verbrechen der Kolonialzeit zu relativieren“. Der Vergleich stamme von dem britisch-sudanesischen Unternehmer Mo Ibrahim («I think the Cold War was worse for Africa than colonialism»).
Nach einer parlamentarischen Anfrage erklärte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ein Vergleich von Kolonialzeit und Kaltem Krieg sei unangemessen. Im November 2018 beschwerte sich eine Gruppe namhafter deutscher Afrikanisten in einem Offenen Brief bei Bundeskanzlerin Merkel über Nooke und dessen Afrikabild, weil er „koloniale Stereotypen“ mit „rassistischen Untertönen“ verbreite. Nooke habe nicht nur die Nachfahren von Opfern kolonialer Gewalt „verhöhnt“, sondern auch „eine Perspektive eingenommen, die populistischen und rassistischen Positionen entgegenkommt“. Wegen seiner „kolonialrevisionistischen Äußerungen“ forderten sie die Entlassung von Nooke. Auch Politiker von der Opposition, von der FDP und den Grünen forderten seine Entlassung.
Im August 2019 geriet Nooke abermals in die Kritik, nachdem der Fleischindustrielle Clemens Tönnies sich als Festredner beim Tag des Handwerks in Paderborn gegen den Fleischkonsum reduzierende Steuererhöhungen als Mittel gegen den Klimawandel geäußert hatte. Besser wäre es, jährlich zwanzig Kraftwerke in Afrika zu bauen, damit „die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren“. Nooke solidarisierte sich: „Die von Tönnis angesprochenen Probleme wie das Verschwinden des Regenwalds und das Bevölkerungswachstum auf dem afrikanischen Kontinent sind real und darüber muss gesprochen und gegebenenfalls kontrovers diskutiert werden.“ Nookes Worte bewirkten den Austritt des CDU-Mitglieds Charles Huber aus seiner Partei. Auslöser dafür sei, erklärte Huber, dass Nooke „rassistisch motivierte Kommunikation“ relativiert habe. „Flankenschutz für eine rassistische Äußerung ist inakzeptabel“, damit habe Nooke die Aussagen von Tönnies „gezielt unterstützt“.
Huber schrieb, in seinem Amt habe Nooke Deutschland und afrikanische Länder einander nicht näher gebracht, seine sich wiederholenden und im Tenor ähnliche Aussagen, zeichneten das Bild eines Manns, der sich nicht durch Kompetenz einen Namen gemacht habe, stattdessen habe er seine Position als Afrikabeauftragter häufig dafür benutzt, den Kontinent, seine Bewohner, die Diaspora und Menschen afrikanischer Abstammung „in vereinfachter Art und Weise demütigend darzustellen“.


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Dr. Klaus Kinkel

Klaus Kinkel (* 17. Dezember 1936 in Metzingen; † 4. März 2019 in Sankt Augustin) war ein deutscher Politiker (FDP) und Jurist. Von 1979 bis 1982 war er Präsident des Bundesnachrichtendienstes, von 1991 bis 1992 Bundesminister der Justiz, von 1992 bis 1998 Bundesminister des Auswärtigen und von 1993 bis 1998 Vizekanzler. Von 1993 bis 1995 war er außerdem Bundesvorsitzender der FDP.
Klaus Kinkel, ältester von zwei Söhnen eines westfälischen Vaters und einer schwäbischen Mutter, wuchs in Hechingen auf. Sein Vater, der 1946 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, war Internist und Kardiologe.
Nach dem Abitur 1956 am Staatlichen Gymnasium Hechingen absolvierte Kinkel zunächst ein Praktikum für Medizinstudenten in der Chirurgie am Kreiskrankenhaus in Balingen und begann ein Medizinstudium in Tübingen. Er wechselte aber schnell ins Studienfach Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen und später der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 1960 beendete er das Studium mit dem Ersten juristischen Staatsexamen in Tübingen. Nach dem Referendariat am Landgericht Hechingen folgte 1965 das Zweite juristische Staatsexamen. 1964 wurde Kinkel an der Universität zu Köln mit der Arbeit Die Lehre von Popitz für die Gestaltung des gemeindlichen Finanzausgleichs zum Dr. jur. promoviert. Er trat dann in das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz ein, den Vorläufer des Bundesamtes für Zivilschutz, das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern gehörte. 1966 bewarb er sich erfolglos um das Bürgermeisteramt seiner Stadt. Von 1966 bis 1968 war er zum Landratsamt Balingen abgeordnet. Nach seiner Rückkehr zum Bundesministerium des Innern war Kinkel von 1970 bis 1974 persönlicher Referent des Ministers Hans-Dietrich Genscher, zuletzt auch als Leiter des Ministerbüros.
Nachdem Genscher im Mai 1974 Außenminister geworden war (Kabinett Schmidt I), wurde Kinkel im Auswärtigen Amt Leiter des Leitungsstabes und 1979 Leiter des Planungsstabes.
Nach dem Ende seiner Amtszeit als Bundesaußenminister durch den Regierungswechsel als Folge der Bundestagswahl 1998 war er als Rechtsanwalt in Sankt Augustin tätig. Seine Anwaltszulassung gab er später zurück. Kinkel engagierte sich in zahlreichen sozialen Projekten für die Belange von Menschen mit Behinderung sowie zur Förderung der Organspendebereitschaft. 2006 war Kinkel „Botschafter“ für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 der Menschen mit Behinderung. Von 2003 bis Ende 2014 war er Vorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung.
Kinkel war seit 1962 verheiratet mit seiner Frau Ursula („Uschi“) geb. Vogel und Vater von vier Kindern. Seine älteste Tochter starb 1982 mit 20 Jahren bei einem Verkehrsunfall. Er lebte in Sankt Augustin-Schmerbroich. Kinkel war, wie schon sein Vater und der Großvater, seit 1956 Mitglied der katholischen Studentenverbindung AV Guestfalia Tübingen im CV, bei der er am 14. Januar 2019 noch zusammen mit dem Fernsehmoderator Claus Kleber, ebenfalls Mitglied der AV Guestfalia Tübingen, die Diskussionsrunde „Welt im Umbruch – Wo bleibt der Westen?“ besetzte.
Klaus Kinkel starb am 4. März 2019 in Sankt Augustin an den Folgen einer Krebserkrankung.
Partei
Kinkel trat 1991 erst kurz nach seiner Ernennung zum Bundesminister der FDP bei. Vom 11. Juni 1993 bis zum 10. Juni 1995 war er Bundesvorsitzender der FDP. In seine Amtszeit als Bundesvorsitzender fielen 14 Wahlen, bei denen die FDP erhebliche Verluste hinnehmen musste; so verfehlte sie bei zwölf Landtagswahlen und der Europawahl den Einzug ins Parlament. Kinkel kandidierte daher nach Ablauf seiner Amtszeit als Bundesvorsitzender 1995 nicht zur Wiederwahl; sein Nachfolger wurde Wolfgang Gerhardt.
Abgeordneter
Von 1994 bis 2002 war Kinkel Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von 1998 bis 2002 stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Kinkel ist stets über die Landesliste Baden-Württemberg in den Deutschen Bundestag eingezogen. Die Unterlagen über seine Tätigkeit als stellvertretender Fraktionsvorsitzender befinden sich im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach.
Öffentliche Ämter
Klaus Kinkel, Präsident des Bundes­nachrichten­dienstes (BND), 1981
Von 1979 bis 1982 war er Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Im Oktober 1982 wurde er unter Hans A. Engelhard zum Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz ernannt. Nach der Bundestagswahl 1990 wurde er am 18. Januar 1991 als Bundesminister der Justiz in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen.
Nach dem Rücktritt von Hans-Dietrich Genscher wurde Kinkel am 18. Mai 1992 zum Bundesminister des Auswärtigen ernannt. Als im Januar 1993 der damalige Vizekanzler und Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann von seinem Amt zurücktrat, wurde Kinkel am 21. Januar 1993 zusätzlich Stellvertreter des Bundeskanzlers. 1993 fasste er die Ziele der Innen- und Außenpolitik, wie er sie betrieb, so zusammen:

„Zwei Aufgaben gilt es parallel zu meistern: Im Inneren müssen wir wieder zu einem Volk werden, nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor [Anm.: gemeint sind die Entwicklungen, die in zwei Weltkriegen mündeten] gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potenzial entspricht. Die Rückkehr zur Normalität im Inneren wie nach außen entspricht einem tiefen Wunsch unserer Bevölkerung seit Kriegsende. Sie ist jetzt auch notwendig, wenn wir in der Völkergemeinschaft respektiert bleiben wollen. […] Unsere Bürger haben begriffen, dass die Zeit unseres Ausnahmezustandes [Anm.: gemeint ist die Teilung des Landes in BRD und DDR bis 1989] vorbei ist.“
– Verantwortung, Realismus, Zukunftssicherung. Deutsche Außenpolitik in einer sich neu ordnenden Welt. In: FAZ, 19. März 1993
Nach der Bundestagswahl 1998 und dem damit einhergehenden Regierungswechsel schied Kinkel am 26. Oktober 1998 aus der Bundesregierung aus.
Klaus Kinkel wird folgendes Zitat über Europa zugeordnet:

„Europa wächst nicht aus Verträgen, es wächst aus den Herzen seiner Bürger oder gar nicht.“


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Karl Otto Pöhl

Karl Otto Pöhl (* 1. Dezember 1929 in Hannover; † 9. Dezember 2014 in der Schweiz) war ein deutscher Bankier und Staatssekretär, der von 1980 bis 1991 Präsident der Deutschen Bundesbank war.
Karl Otto Pöhl studierte Volkswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität Göttingen und begann 1957 seinen Berufsweg beim Ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München. Nach einer Tätigkeit als Wirtschaftsjournalist von 1961 bis 1967 und beim Bundesverband deutscher Banken von 1968 bis 1969 wechselte er 1970 in den Staatsdienst und war unter den Bundesfinanzministern Helmut Schmidt und Hans Apel von 1972 bis 1977 Staatssekretär. Anschließend wechselte er als Vizepräsident zur Deutschen Bundesbank. 1980 wurde er als Nachfolger von Otmar Emminger Bundesbankpräsident. 1991 trat er aus persönlichen Gründen von diesem Amt zurück. Als Grund werden oft die Differenzen mit Helmut Kohl bezüglich der Vorgehensweise bei der wirtschaftlichen Wiedervereinigung und insbesondere der Festlegung des Wechselkurses zur Einführung der D-Mark in der DDR vermutet. Sein Nachfolger als Bundesbankpräsident wurde sein langjähriger Stellvertreter Helmut Schlesinger. 1992 wechselte er als persönlich haftender Gesellschafter zur Kölner Privatbank Sal. Oppenheim, 1993 bis 1998 war er Sprecher des Gesellschaftergremiums.
Pöhl war seit 1948 Mitglied der SPD. Im Jahr 2006 erklärte Pöhl in einem Interview mit der Wirtschaftswoche, er sei bereits ein Jahr zuvor aus der SPD ausgetreten. Als Grund gab er an, dass sich die Partei in den letzten Jahrzehnten vor allem wirtschaftspolitisch zu sehr nach links orientiert habe. Namentlich distanzierte er sich von den Positionen Andrea Nahles’ und Kurt Becks.


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Dr. Hans Tietmeyer

Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 in Metelen; † 27. Dezember 2016 in Königstein im Taunus) war ein deutscher Volkswirt. Er war von 1982 bis 1989 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und fungierte gleichzeitig als Sherpa von Bundeskanzler Helmut Kohl bei den Weltwirtschaftsgipfeln. Bei den Verhandlungen zur Deutschen Wiedervereinigung war er 1990 Verhandlungsleiter der westdeutschen Delegation für die Deutsch-Deutsche Währungsunion. 1993 wurde er Präsident der Deutschen Bundesbank und besetzte dieses Amt, bis er 1999 in den Ruhestand ging. Tietmeyer war bis zur Schieflage in der Finanzkrise Aufsichtsratsmitglied der Hypo Real Estate.
Nach seinem Abitur am Gymnasium Paulinum in Münster studierte Tietmeyer ab 1952 zunächst Katholische Theologie und ab 1953 Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, in Bonn und in Köln. Nach seinem Examen als Diplom-Volkswirt 1958 wurde er 1961 an der Universität Köln promoviert.
Er wirkte von 1959 bis 1962 als Geschäftsführer im bischöflichen Cusanuswerk. 1962 wechselte er als Hilfsreferent für Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik ins Bundeswirtschaftsministerium, 1966 stieg er zum Leiter des Referats Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik auf und wurde ab 1973 Leiter der Abteilung 1 – Wirtschaftspolitik. Von 1982 bis 1989 war er beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Am 20. September 1988 scheiterte ein Anschlag auf ihn und seinen Fahrer, der aufgrund eines Bekennerschreibens der Rote Armee Fraktion zugeordnet wird. Tietmeyer hatte Glück, dass sich dabei eine Maschinenpistole verklemmt hatte und sein ungepanzerter Dienstwagen nur mit Schrotmunition getroffen wurde.
Bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands war er als Unterhändler und Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl in Wirtschaftsfragen tätig. Ab 1990 war Tietmeyer Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank. 1993 wurde er als Nachfolger von Helmut Schlesinger Bundesbankpräsident und hatte dieses Amt bis 1999 inne, sein Nachfolger wurde Ernst Welteke. Tietmeyer gilt als typischer Exponent der monetaristischen und im internationalen Vergleich recht restriktiven geldpolitischen Strategie der Bundesbank. Die unter seiner Ägide getroffenen Entscheidungen für sehr starke Zinserhöhungen nach der Wiedervereinigung werden in der Wirtschaftswissenschaft kontrovers diskutiert und von einigen Wirtschaftswissenschaftlern für das schnelle Abbrechen des Wiedervereinigungsbooms und den sehr scharfen Verlauf der nachfolgenden Krise verantwortlich gemacht. Helmut Schmidt äußerte in einem offenen Brief heftige Kritik an der Geldpolitik Tietmeyers, der seiner Ansicht nach die europäische Währungsunion verhindern wollte. Anlässlich des 60. Geburtstags der D-Mark im Juni 2008 bezeichnete Tietmeyer den Euro jedoch als großen Erfolg. Tietmeyer erfuhr nachträglich telefonisch von Helmut Kohl, dass dieser sich – auf Drängen seines französischen Amtskollegen Mitterrand – dazu entschieden hatte, als 'Preis' für die Wiedervereinigung die D-Mark aufzugeben und den Euro einzuführen.
Bis Juli 2012 (Nachfolger: Wolfgang Clement) war er über einen Zeitraum von fast zwölf Jahren Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Von 2000 bis 2009 war er Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Ein Mandat im Aufsichtsrat nahm Tietmeyer u. a. seit 2000 bei der BDO Deutsche Warentreuhand AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, seit 2001 bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser, seit 2002 bei der irischen DePfa Bank plc bzw. nach deren Übernahme 2008 durch die Hypo Real Estate Group bei der Muttergesellschaft wahr. Ende März 2004 hat er den Vorsitz von Aufsichtsrat und Aktionärsausschuss bei der Hauck & Aufhäuser übernommen. Bis zum 2. April 2008 war Tietmeyer Mitglied im Aufsichtsrat der DWS Investment GmbH.
Im September 2006 berichtete die britische Times, Tietmeyer sei für den Posten des Chefs der Vatikanbank im Gespräch.
Am 15. Oktober 2008 verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Rede im Bundestag zum „Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)“, dass sie Hans Tietmeyer gebeten habe, den Vorsitz einer Expertengruppe zu übernehmen, welche Vorschläge für neue Regeln auf den Finanzmärkten erarbeiten sollte. Dies wurde von den Oppositionsparteien, aber auch vom Koalitionspartner der CDU, der SPD, abgelehnt, da Tietmeyer, der zu diesem Zeitpunkt Aufsichtsratsmitglied bei der Hypo Real Estate war, eine Mitschuld an der schweren Krise der Bank zugeschrieben wurde. Tietmeyer gab wenig später bekannt, dass er aufgrund der öffentlichen Diskussion um seine Person für dieses Amt nicht zur Verfügung stehe. Im November trat Tietmeyer als Aufsichtsrat der Hypo Real Estate zurück.
Tietmeyer war Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice (CAPP) und Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften. Außerdem war er Mitglied der Jury, die alle zwei Jahre die Preisträger des Westfälischen Friedenspreises ernennt. Er war Mitglied im Hochschulrat der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Er war ebenfalls Mitvorsitzender der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung, außerdem Ehrenmitglied des Katholischen Studentenvereins K.St.V. Arminia Bonn im KV.


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Dr. Helmut Schlesinger


Helmut Schlesinger (* 4. September 1924 in Penzberg) war von 1991 bis 1993 Präsident der Deutschen Bundesbank.
Nach der Schulausbildung an Oberschulen in Wasserburg am Inn und Augsburg leistete Schlesinger zwischen 1943 und 1945 Kriegsdienst bei den Gebirgsjägern. Bei Kriegsende war er Leutnant der Reserve.
1946 begann er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, das er 1948 als Diplom-Volkswirt abschloss. Mit einer Dissertation zur Wirtschaftlichkeitskontrolle in der öffentlichen Verwaltung wurde er 1951 zum Dr. oec. promoviert.
Im Jahr 1952 trat Schlesinger als Referent für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in die Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der damaligen Bank deutscher Länder ein. 1956 wurde er Abteilungsleiter Konjunkturanalyse und Vorausschätzungen, 1964 Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik und 1972 Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank und Chefvolkswirt.
1980 wurde er Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, verantwortlich für Volkswirtschaft und Statistik. 1991 wurde er Nachfolger von Karl Otto Pöhl als Bundesbankpräsident. Seine Amtszeit wurde wegen seines Alters von vornherein auf 26 Monate begrenzt, da die übliche Altersgrenze bei 68 liegt.
Schlesinger wurde 1993 durch Hans Tietmeyer abgelöst.
Seine Unterschrift findet sich auf allen DM-Scheinen, die zwischen 1980 und 1993 gedruckt wurden.
Sonstiges
In der Euro-Krise wies Schlesinger als einer der Ersten auf die Problematik des sogenannten Target 2 hin: Über dieses zuvor unbeachtete Clearingsystem muss die Bundesbank anderen Euro-Notenbanken Kredite gewähren, die nun rasant wachsen.
Im April 2012 äußerte sich Schlesinger in einem Interview zur Eurokrise und zur griechischen Finanzkrise. Unter anderem sagte er:

„Derzeit betreibt die EZB keine Geldpolitik im engeren Sinne, sondern nur noch Antikrisenpolitik. Wenn sie 1000 Mrd. Euro für drei Jahre zum selben Zins zuteilt, den sie für acht Tage verlangt, macht sie das, weil ein, zwei, drei Länder es brauchen.


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